Alle in diesem Research dargestellten Sichtweisen sind ausschließlich die Meinung des Autors, nicht notwendigerweise der CME Group oder ihrer verbundenen Unternehmen. Alle in dieser Präsentation dargestellten Beispiele sind hypothetische Interpretationen und werden nur zu Erläuterungszwecken verwendet. Dieser Bericht und die darin enthaltenen Informationen sind nicht als Anlageberatung oder als Ergebnis tatsächlicher Markterfahrungen aufzufassen.
Einer der ersten Grundbegriffe, mit denen sich Neulinge im Optionshandel vertraut machen sollten, ist die implizite Volatilität (IV). Der häufigste Treffer, den Suchmaschinen zu diesem Begriff liefern, lautet: „Die implizite Volatilität ist die erwartete Volatilität (oder Preisveränderung) des Basiswerts während der Laufzeit der Option.“ IV ist der Konsens, der sich am Markt zur künftigen Volatilität des Basiswerts bildet – und damit ein sehr wichtiges Konzept. Bleiben alle anderen Faktoren unverändert, gilt: Je höher die IV einer Option ist, umso teurer/höher die Optionsprämie, die ein Verkäufer verlangt, und umgekehrt.
Häufig wird IV als Eingangsparameter eines standardmäßigen Optionspreismodells beschrieben. Aus unserer Sicht ist sie jedoch eher eine von einem Preismodell „ausgespuckte“ oder abgeleitete Größe. Freilich, bei der rein theoretischen Bestimmung des Optionspreises würde man normalerweise tatsächlich das jeweilige Modell mit der IV „füttern“, um zu erhalten, was man sucht: eben einen theoretischen Wert. Die gebräuchlichsten Optionspreismodelle umfassen folgende Eingangsparameter:
Den Händlern und Händlerinnen sind alle diese Größen bekannt. Außerdem kennen Händler/-innen den aktuellen Preis oder Wert der Option, da diese Größe sich im Allgemeinen beim Aushandeln der Geld-/Briefspanne ergibt. Bei der CME Group erfolgt die Preisbildung gewöhnlich mithilfe der zentralen Match Engine von Globex oder im Parketthandel. Die unbekannte Größe bei der Preisbestimmung von Optionen ist die Schwankungsbreite des Basiswerts in der Zeit zwischen dem Abschluss des Optionsgeschäfts und dem Verfallstag der Option: die implizite Volatilität. Betrachten wir zur Veranschaulichung eine Option mit einem Geldkurs von 3,5 und einem Briefkurs von 4: In der Folge bleiben alle Faktoren unverändert, außer dem Optionspreis, dessen Geldkurs inzwischen 3 beträgt, während der Briefkurs 3,5 lautet. Da der Wert der Option abgenommen hat, indes alle anderen Parameter unverändert geblieben sind, folgern wir, dass die implizite Volatilität – das vom Markt angenommene Ausmaß der Preisveränderung des Basiswerts – ebenfalls abgenommen haben muss.
Manche Händler/-innen ziehen den Straddle (Long-Put und Long-Call mit gleichem Basispreis) als Schätzgröße für das Volatilitätsniveau eines Segments des Optionsmarktes heran. Intuitiv betrachtet ergibt das durchaus Sinn, wenn man beabsichtigt, eine spekulative Position mit einem Long-Straddle einzugehen. Steigt der Preis des Basiswerts, nimmt der Wert des Long-Call zu (und nochmal, weil es wichtig ist: nur wenn alle anderen Faktoren unverändert bleiben). Fällt der Preis des Basiswerts, steigt der Wert des Long-Put. Die Straddle-Prämie bestimmt also, wie stark die Preisbewegung des Basiswerts sein muss, damit die Strategie einen Gewinn erbringt.
- Craig Bewick, Senior Director, Retail Sales
Ein vielleicht weniger bekannter, aber wichtiger Begriff der Optionspreistheorie ist die Schiefe („Skew“). Damit ist gemeint, dass unterschiedliche Basispreise bzw. Calls und Puts, selbst auf den gleichen Basiswert und mit dem gleichen Verfallsdatum, mit unterschiedlicher impliziter Volatilität gehandelt werden können. Dieses Gefälle kann sich zwischen verschiedenen Basispreisen von Calls bzw. Puts jeweils untereinander oder im Preisverhältnis zwischen Calls und Puts ergeben. Die Schiefe der Optionsvolatilitäten trat auf dem Markt erstmals nach dem Börsencrash von 1987 in Erscheinung. Optionsverkäufer begannen damals höhere Prämien zu verlangen, um sich gegen außergewöhnliche Schocks abzusichern.
Die Schiefe der Volatilitätskurve gestaltet sich unterschiedlich, je nachdem, wie wahrscheinlich eine extreme Preisbewegung im Basiswert erscheint. Wie Sie anhand dieser zwei QuikStrike®-Abbildungen erkennen, ähnelt die Skewkurve der Silberoptionen eher einem „Lächeln“ als dem „hämischen Grinsen“ der Aktienoptionen.
Ein weiterer Näherungswert zur Bestimmung der Schiefe ist die Risk-Reversal-Strategie, ein Maß für das Volatilitätsverhältnis zwischen Calls und Puts der gleichen Laufzeit. Bevor wir uns näher mit dem Risk Reversal befassen, ist es wichtig, sich einen grundlegenden Zusammenhang zwischen Calls und Puts bewusstzumachen.
Die Preise von Calls und Puts weisen innerhalb einer gegebenen Restlaufzeit ein bestimmtes Verhältnis zueinander auf. Eine der ersten Lektionen, die angehende Profihändler/-innen lernen, besagt nämlich: „Calls und Puts sind gleich und unterscheiden sich nur im Vorzeichen.“ Das lässt sich vielleicht am besten anhand eines einfachen Beispiels für die „Put-Call-Parität“ erklären. Put-Call-Parität bedeutet, dass folgende Gleichung erfüllt sein muss, damit sich keine Gelegenheiten zur Arbitrage am Markt auftun:
Call-Preis – Put-Preis + Basispreis = Futures-Preis
Um diesen Zusammenhang zu veranschaulichen, haben wir eine Momentaufnahme vom Direct Trading-Front-End der CME Group gemacht (25. August, 08:10 Uhr Chicagoer Zeit). Zu sehen sind Optionen auf den Micro-E-Mini S&P 500 – Woche 4:
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- Craig Bewick, Senior Director, Retail Sales
Gehen wir von der Mittequotierung für Calls und Puts mit Basispreis 3.440 aus, erhalten wir diese aktuellen Preise:
Daraus ergibt sich folgende Gleichung: 19,75 – 20,25 + 3.440 = 3.439,50
Diese Beziehung gewährleistet, dass der Kauf eines Calls und der Verkauf eines Puts – jeweils mit gleichem Basispreis – eine Position begründet, deren GuV-Profil identisch ist mit der einer Long-Futures-Position (und umgekehrt). Diese Position generiert den gleichen Zahlungsstrom wie ein Long Future. Jede Abweichung von dieser Bedingung ermöglicht einen Arbitragegewinn, der sofort ausgenutzt werden dürfte, sodass der arbitragefreie Preis bald wiederhergestellt wäre. Wenn Futures der CME Group die börslich festgelegte Preisober- oder -untergrenze („locked limit“) überschreiten, kommt es mitunter vor, dass der Optionshandel fortgeführt wird und Händler einen „synthetischen“ Futures-Preis ermitteln.
Eine Risk-Reversal-Strategie entsteht einfach durch den Kauf eines Calls und den Verkauf eines Puts (oder umgekehrt). Mit Engagements dieser Art können Händler/innen eine spekulative Position am Markt einnehmen oder eine bestehende Position absichern. Wohlgemerkt, in unserem Beispiel haben Call und Put den gleichen Basispreis, wodurch eine Position mit einem Delta von 1,0 (wie bei Futures) entsteht. Oft initiieren Händler/-innen einen Risk Reversal mit Optionen, die aus dem Geld liegen, sodass Positionen entstehen, mit denen sich ein Trend ausnutzen lässt, deren Delta aber anfänglich kleiner als 1,00 ist.
- Craig Bewick, Senior Director, Retail Sales
Die jüngste Preisspitze bei Silber, die Volatilität der Silberoptionen und der entsprechende relative Anstieg der Volatilität von Calls gegenüber der von Puts zeigen deutlich, wie wichtig der Skew-Effekt ist und welche Chancen er bietet. Wie schon erwähnt, können Händler/-innen eine Risk-Reversal-Position einnehmen, um eine spekulative Long- oder Short-Position oder ein Absicherungsgeschäft aufzubauen. Wegen seiner besonderen Anschaulichkeit werden wir ein Absicherungsgeschäft durchgehen.
Die QuikStrike®-Abbildung unten zeigt die implizite Volatilität und die Preise im Silbermarkt, wo in nur wenigen Wochen der Preis der Silberfutures von 19,7 auf 29,25 und die 30-Tage-Volatilität in den Optionsmärkten von 28,6 % auf den historischen Höchststand von fast 70 % sprunghaft anstiegen.
Gleichzeitig mit diesen steigenden Werten erreichte die implizite Volatilität der 25-Delta-Calls einen Höchststand gegenüber den Puts, wie die QuikStrike-Grafik zeigt, deren blaue Linie einfach nur die Differenz zwischen der Call-Volatilität und der Put-Volatilität darstellt.
Angesichts der dramatischen Zunahme der Call-Volatilität gegenüber der Put-Volatilität (nota bene, wenn alle anderen Faktoren unverändert sind, muss auch der Wert oder die Prämie der Calls relativ zu denen der Puts ansteigen) untersuchten wir, wie sich dieser Anstieg auf die GuV einer Short-Risk-Reversal-Position im Vergleich zu einer Long-Futures-Position im Silbermarkt auswirkte.
Wie zuvor schon besprochen, könnten Händler/-innen eine Short-Risk-Reversal-Position aufbauen, um die relativ hohe Volatilität der Calls zu verkaufen und die relativ geringe Volatilität der Puts zu kaufen.
Wir haben uns der Analysetools von QuikStrike® für die Preisbestimmung bei Optionen sowie historischer Daten bedient, um den theoretischen Wert einer Futures-Position im Vergleich zum Verkauf eines 25-Delta-Calls und Kauf eines 25-Delta-Puts am 6. August 2020 am Silbermarkt der CME Group nachzuvollziehen.
Annahmen (BLAU unterlegt):
Um das Beispiel überschaubar zu halten, haben wir für Preis und implizite Volatilität historische Werte des Silbermarkts verwendet, aber keine Positionsanpassungen vorgenommen, wie es professionelle Händler/-innen tun. Uns reichen theoretische Optionswerte, um zu verdeutlichen, wie sich die Schiefe auf eine Optionsposition auswirken kann.
Die folgende Abbildung zeigt die Entwicklung des Preises, der Volatilität, der mit griechischen Buchstaben bezeichneten Risikoparameter (die „Griechen“) sowie der GuV-Werte der Position.
Wie Sie sehen, wies die 25 -Delta-Risk-Reversal-Position bei Geschäftsabschluss (am 06. August) ein Delta von –49 [%] auf. Da die Long-Futures-Position ein unveränderliches Delta von +100 [%] hat, ermöglicht der Risk Reversal eine teilweise Absicherung der Long-Futures-Position gegen einen möglichen Preisrückgang.
Summe GuV Risk Reversal: USD 1.015
Summe GuV = –USD 635
Ohne Absicherung durch die Risk-Reversal-Position weist die Long-Futures-Position in unserem theoretischen Beispiel einen Verlust von USD 1.650 auf. Das Absicherungsgeschäft hat diesen Verlust auf USD 635 begrenzt.
Betrachten wir nun den theoretischen Wert der Risikoumkehr-Position, wenn wir die Schiefe aus dem Markt für Silberoptionen eliminieren. Zu diesem Zweck wählen wir Basispreise vom 6. August, die ein Delta von etwa 25 aufweisen, wenn wir für Call und Put Volatilitätswerte am Geld zugrunde legen. Wieder nehmen wir keine Positionsanpassungen basierend auf den Risikoparametern vor. Call und Put weisen wir für den Betrachtungszeitraum die gleiche Volatilität zu. Das ergibt nur einen theoretischen Wert, der sich aber zu Illustrationszwecken gut eignet.
Es zeigt sich: Wenn man einen Risk Reversal aufbaut, ohne dass eine Schiefe vorliegt, fällt die Gesamt-GuV dieser Position von USD –635 auf USD –1.540.
Woher die Differenz?
Als wir den Risk Reversal ursprünglich aufbauten, wurden die (von uns verkauften) Calls mit einer um 16,6 % höheren Volatilität als die der (von uns gekauften) Puts gehandelt. Indes also beide Risikoumkehr-Positionen an Wert zunahmen, weil der Preis des Basiswerts nachgab (negatives Delta), gewann auch die ursprünglich eingegangene Position an Wert, da die Volatilität der Calls gegenüber der der Puts zurückging.
Schauen wir uns den Sachverhalt etwas genauer an:
Wir betonen nochmals, dass es sich hier um theoretische Optionswerte handelt. In der Praxis passen Händler/-innen ihre Positionen nach Maßgabe der „Griechen“ und anderer Faktoren an. Doch unser Beispiel veranschaulicht recht gut, wie wichtig es ist, nicht nur Volatilität als solche, sondern auch das Volatilitätsverhältnis zwischen (den relativen Wert von) verschiedenen Optionen zu verstehen.
Unsere Untersuchung hat den großen Vorteil, dass wir Daten aus der Vergangenheit nutzen und daher wissen, was geschehen ist. In der Wirklichkeit hätte man nicht vorhersehen können, dass der extrem ausgeprägte Risk-Reversal-Wert (bei dem die Call-Volatilität sehr viel höher bewertet wurde als die Put-Volatilität) sogar noch weiter zunehmen würde.
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