Ende Februar und Anfang März 2020 kam es an den Weltmärkten zu einer noch nie da gewesenen Gesundheitskrise, durch die sowohl die wirtschaftliche Unsicherheit als auch die Marktvolatilität anstiegen.

Vor der Krise lagen die Quartalsprognosen für das Wirtschaftswachstum im restlichen Jahresverlauf zwischen 1 % und 4 %. Jetzt sehen die Prognosen allein für das zweite Quartal Rückgänge von 20 % bis 34 % vor. Die Krise und das schnelle Umschlagen der Erwartungen haben zur höchsten wirtschaftlichen Unsicherheit seit Jahrzehnten geführt. Dies ließ die Volatilität so sehr in die Höhe schießen wie zuletzt die Finanzkrise von 2008/2009. Die unten dargestellte implizite Volatilität des E-Mini S&P 500, die als Stellvertreter für die Volatilität des breiteren Markts angesehen kann, erreichte mit der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie Anfang März das höchste Niveau seit mehr als 13 Jahren.

Abb. 1

Die höhere Volatilität sollte – unter sonst gleichen Bedingungen – zu größeren Geld-/Brief-Spannen und einer geringeren Orderbuchtiefe in allen Märkten führen, da die Marktteilnehmer aufgrund des durch die Volatilität höheren Value-at-Risk ihre Risikobereitschaft in kluger Voraussicht verringern. Angesichts der Kapital- und Risikobegrenzungen typischer Marktteilnehmer verringert sich die residuale Orderbuchliquidität sowohl durch die höhere Dynamik als auch durch das Ausmaß der Kursschwankungen. Unterdessen wird die residuale Orderbuchliquidität tendenziell, zumindest teilweise, durch zusätzliche Liquidität ersetzt. Deshalb stellt der – am Handelsvolumen gemessene – Grad der Risikotransfermöglichkeit über eine Handelsplattform eine der wichtigsten Liquiditätsmessgrößen in Phasen erhöhter Volatilität dar. Mit steigender Volatilität ist üblicherweise auch ein Anstieg der Futures-Handelsvolumina der CME Group zu beobachten.

Bei der Analyse dieser Situation sollte jedoch nicht nur eine einzelne Messgröße herangezogen werden (wie die Inside-Market-Orderbuchtiefe), vielmehr sollte die Marktliquidität anhand von drei miteinander zusammenhängenden Kennzahlen analysiert werden: Marktbedingungen, Angebot und Nachfrage.

Welcher Zusammenhang besteht zwischen diesen drei grundlegenden Faktoren? Mit dem Anstieg des Risikos (einer Marktbedingung) müssen Marktteilnehmer ihre Ordergrößen auf der Angebotsseite verringern, um ihre Risikoparameter einzuhalten; zugleich strömen andere Marktteilnehmer zu Absicherungszwecken in den Markt, sodass sich die Nachfrage erhöht. Diese drei grundlegenden Liquiditätsfaktoren sind zwingend miteinander verknüpft und passen sich untereinander an, um das Gleichgewicht zu halten. Statt nur eine dieser Kenngrößen ohne den Kontext der anderen beiden zu analysieren, ermöglicht eine Betrachtung dieses Trios eine ganzheitliche Perspektive. Auch die Schlussfolgerung daraus muss – wie alle Analysen – mit entsprechender Vorsicht betrachtet werden, jedoch zeichnet diese Analyse ein anderes Bild als die reine Betrachtung von Geld-/Brief-Spannen und der Orderbuchtiefe für sich allein.

Tatsächlich hat sich die Liquidität nach unserer Analyse vor dem Hintergrund der höheren Volatilität anscheinend als außerordentlich robust erwiesen und weitaus besser geschlagen, als man unter sonst gleichen Bedingungen vielleicht erwartet hätte.

Analyse der Handelskosten anhand dieses Trios

Zur angemessenen Darstellung des Zusammenspiels zwischen diesen drei wichtigen Kennziffern und ihrer Auswirkungen auf die Liquidität hat die CME Group neue, ganzheitliche Liquiditätsmessgrößen erarbeitet, die das Umfeld widerspiegeln, das Händler bei der Orderausführung in hochvolatilen Märkten vorfinden. Diese Messgrößen, die zum Teil herkömmliche Liquiditätskennziffern ins Verhältnis zu den tatsächlichen Marktbedingungen setzen, bieten einen umfassenderen Blick auf die Liquidität als einige der gängigeren Statistiken.


Ganzheitliche Messgrößen für die Liquidität

Messgrößen, die die Liquidität ganzheitlich erfassen, sollen die Marktbedingungen besser in einen Kontext setzen als herkömmliche Liquiditätsmessgrößen. Diese Zahlen zeigen bei einer gemeinsamen Betrachtung, wie Liquidität und Handelskosten von einer sich verändernden Marktdynamik und einer höheren Nachfrage, gemessen am Volumendurchsatz des Orderbuchs, beeinflusst werden. Anhand ökonomischer Grundlagenmethoden betrachtet diese Analyse:

  • Marktbedingungen (tägliche True Range)
  • Angebot (Handelskosten des Kontrakts)
  • Nachfrage (Volumen im Kontrakt)

Die Handelskosten werden anhand einer definierten Lot-Größe für jedes Benchmark-Produkt berechnet.1 Statt sich nur auf einzelne Daten zu konzentrieren, erfasst unsere Analyse das Verhältnis der Handelskosten zur täglichen True Range, um die Schwankungsbreite volatiler Phasen mit den Handelskosten zu vergleichen.

1 Alle Statistiken zu Handelskosten von Futures werden von 07:00 - 16:00 Uhr Central Time erfasst. Alle anderen Daten spiegeln den gesamten Handelstag wider.

Zwar sind die (liquidätsbedingten) Handelskosten gestiegen, jedoch war dieser Anstieg weniger ausgeprägt als die Zunahme der täglichen True Range (Volatilität), sodass die Handelskosten im Vergleich zur täglichen True Range gesunken sind (Liquidität zu Volatilität).

Zur Analyse der enormen Volatilität zwischen Ende Februar und Mitte März 2020 hat CME Group diese ganzheitlichen Daten für den Zeitraum der ersten Turbulenzen (24. Februar bis 13. März) herangezogen und nachstehend detaillierter aufbereitet. In diesen volatilen Phasen stiegen die Handelskosten auf absoluter Basis, was angesichts von Geschwindigkeit und Ausmaß der Marktschwankungen auch zu erwarten war. Der Anstieg war jedoch in jedem der Beispiele weniger drastisch als die Zunahme der täglichen Handelsspanne und der durchschnittlichen Tagesumsätze, sodass sich die Handelskosten gemessen am Anstieg der täglichen Handelsspannen verringert haben. Darin spiegelt sich die Stärke und Widerstandsfähigkeit der Märkte der CME Group in Krisenzeiten wider: Hohe Kontraktstückzahlen können auch bei weit dramatischeren Schwankungen anderer Marktvariablen mit einem überschaubaren Anstieg der Kosten gehandelt werden.


Ganzheitliche Liquiditätsmessgrößen für Treasury-Futures

Die zehnjährige US-Treasury Note ist der traditionelle „sichere Hafen“ für alle, die in Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeiten und Unsicherheiten in Qualitätstiteln Zuflucht suchen. So sind die zehnjährigen US-Treasury-Note-Futures am CBOT eines der liquidesten Instrumente, die für ein Engagement in hochwertigen Rentenwerten zur Verfügung stehen. Zwar verzeichnen die Futures auf zehnjährige Treasuries wie andere Finanzprodukte auch größere Kursschwankungen, die Markttiefe bleibt aber auch in hektischen Handelsphasen widerstandsfähig. Die nachstehende Tabelle zeigt, dassdie Handelskosten für 500 Kontrakte (Nominalwert von US$ 50 Mio.) trotz der in den drei Wochen extremer Volatilität (24. Februar bis 13. März) um fast 200 % höheren täglichen True Range um weniger als ein Viertel davon gestiegen sind, nämlich um 47 % gegenüber dem Vergleichszeitraum November 2019 bis Januar 2020.

Zwar verzeichnen die Futures auf zehnjährige Treasuries wie andere Finanzprodukte auch größere Kursschwankungen, die Markttiefe bleibt aber auch in hektischen Handelsphasen widerstandsfähig.

Tabelle 1

Futures auf zweijährige US-Treasury-Notes nehmen eine ähnliche Schlüsselstellung am kurzen Ende der Renditekurve ein und bieten ein Engagement mit kürzerer Duration. Seit die Tick-Größe 2019 halbiert wurde (auf ein Achtel eines 32stels), nahmen wettbewerbsfähige Preisfindung und Liquidität zu, sodass der Future für das volatile Umfeld im März dieses Jahres gewappnet war. Ähnlich der zehnjährigen Anleihe stieg die tägliche True Range gegenüber dem Vergleichszeitraum um 226 %, während die Handelskosten für 1.000 Kontrakte (Nominalwert US$ 200 Mio.) um 92 % gestiegen sind und damit die Widerstandsfähigkeit dieser Märkte unter Beweis gestellt haben.

2 MPI = Mindestpreisveränderung

3 Als zeitgewichteter Durchschnitt berechnet.

Tabelle 2: 2-jährige US-Treasury-Note-Futures


4 Als zeitgewichteter Durchschnitt berechnet.

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Ganzheitliche Messgrößen für die Volatilität bei Aktienindex-Futures

E-mini S&P 500 Index-Futures (ES-Futures) sind weltweit als Stellvertreter des breiteren Aktienmarkts anerkannt, auch außerhalb der Vereinigten Staaten. Diese Futures werden üblicherweise als Platzhalter für viele Aktienportfolios gehandelt, selbst wenn diese Portfolios nicht exakt dieselbe Zusammensetzung haben wie der Index – insbesondere in turbulenten Marktphasen. Die jüngsten Verwerfungen am Markt sind keine Ausnahme: Anleger greifen auf diese Futures-Kontakte zurück, um ihr Risiko am Aktienmarkt zu verringern.

Der S&P 500 Index ist ein kapitalgewichteter Durchschnitt aus Aktien etablierter Branchen. Während die ganze Welt versuchte, die Kosten der Krise in Zahlen zu fassen, verzeichneten die Aktienmärkte eine hohe Volatilität und die realisierte Volatilität näherte sich einem Niveau, das zuletzt der Finanzkrise von 2008 entsprach. Während dieser ganzen Phase war der ES das beliebteste Instrument zum Risikotransfer, was sich in den Handelsvolumina zeigte, die sechsmal höher waren als in vergleichbaren ETFs und um ein 1,4-faches über dem Kassamarkt lagen.5 Obwohl die tägliche True Range im ES stark anstieg, erhöhten sich die Handelskosten in weitaus geringerem Umfang, was die widerstandsfähige Marktqualität der CME belegt.

5 Quelle: Bloomberg, März 2020. ETF-Tickersymbole: SPY, IVV und VOO. Kassa-Zahlen beinhalten Kassa-Basiswerte des S&P 500 Index.

Tabelle 3: E-Mini S&P 500 Futures

Die Märkte für Aktienfutures, insbesondere der ES, haben erneut demonstriert, dass sie als Stellvertreter für den breiteren Markt einen gemeinsamen Handelsplatz für den Transfer aktienbezogener Risiken bieten können, ohne dass Hunderte von Einzeltiteln bewegt werden müssen.


6 Als zeitgewichteter Durchschnitt berechnet

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Ganzheitliche Messgrößen für die Volatilität von Devisenfutures

Die CME-Futures-Kontakte auf die Währungspaare Euro/US-Dollar (EUR) und Yen/US-Dollar (JPY) zählen zu den meistgehandelten börsennotierten Futures auf Devisen weltweit. Futures auf EUR und JPY gelten weltweit als Benchmarks für die Preisfindung im Euro und Yen sowie für das Risikomanagement entsprechender Währungsengagements. Die EUR- und JPY-Futures bieten erhebliche Volumina und hohes Open Interest, eine starke Kernliquidität der zentralen Limit-Orderbücher und Markttiefe. Ebenso fällt das Spektrum der Marktteilnehmer divers aus, was die hohe Teilnehmerzahl belegt, die offene Positionen halten. EUR- und JPY-Futures können als Ergänzung zum außerbörslichen Devisenhandel (Over-The-Counter, OTC) eingesetzt werden.

Nach dem tiefsten Stand seit 27 Jahren im Januar hat die Volatilität am Devisenmarkt wieder angezogen und ist von weniger als 6 % auf mehr als 15 % im März 2020 angestiegen. Diese noch nie da gewesenen Marktvolatilität war in zahlreichen Anlageklassen zu beobachten und das Niveau entsprach in etwa dem der Kredit- und Finanzkrise von 2008. In den jüngsten Marktturbulenzen machten die Marktteilnehmer bei der Steuerung ihrer Wechselkursrisiken erfolgreich von EUR- und JPY-Futures Gebrauch. Trotz des Anstieg der Kursvolatilität in den EUR- und JPY-Futures während dieser heißen Phase konnten beide Futures ordnungsgemäße und robuste zentrale Limitorderbücher beibehalten und zugleich die „Flucht in sichere Anlagen“ wie den US-Dollar und auf US-Dollar lautende Vermögenswerte ermöglichen.Außerdem bewies sich das wahre Potenzial der 2019 vorgenommenen Senkung der Mindestpreisveränderung (Tick) als effizienteres Preisfindungsmittel und trug zu einer höheren Roll-Aktivität angesichts der höheren Volatilität bei.

Wie auch in anderen Finanzprodukten nahm die tägliche True Range während der höheren Marktvolatilität in den EUR- und JPY-Kontrakten erheblich zu: um 190 % bzw. 340 %, doch die Handelskosten für 5 Lot (Nennwert rund USD 675.000) stiegen während dieser Phase nur um 38 % bzw. 55 %. Der prozentuale Anstieg der täglichen True Range fiel im Vergleich zu den Handelskosten um den Faktor fünf bis sechs höher aus.

Tabelle 4: EUR-Futures

7 Als zeitgewichteter Durchschnitt berechnet.

Tabelle 5: JPY-Futures


Fazit

Liquidität ist für das einwandfreie Funktionieren der Märkte von entscheidender Bedeutung, insbesondere in Phasen extremer Volatilität. Herkömmliche Messgrößen für die Liquidität können zwar nützliche Hinweise über die Marktbedingungen liefern, doch reichen sie nicht aus, um ein umfassendes Bild dessen zu liefern, was sich den Marktteilnehmern während der Volatilität von Anfang dieses Jahres bot. Anhand ganzheitlicher Liquiditätsmessgrößen, die die Handelskosten im Verhältnis zu den täglichen True Ranges und Volumina darstellen, entsteht ein genaueres Bild des Handelsumfelds und der Widerstandsfähigkeit der Märkte der CME Group.

Autoren und Mitwirkende:

  1. Mohandas Ayikara
  2. Jesy Beeson
  3. James Boudreault, CFA
  4. Daniel Grombacher
  5. Jonathan Kronstein
  6. Bobby Timberlake
  7. John Wiesner

8 Als zeitgewichteter Durchschnitt berechnet.


Alle in diesem Papier angeführten Beispiele sind rein hypothetische Interpretationen bestimmter Situationen und dienen lediglich zur Veranschaulichung. Die hier geäußerten Ansichten spiegeln ausschließlich die Einschätzungen des Verfassers wider und nicht unbedingt die der CME Group oder mit dieser verbundener Institutionen. Dieses Papier und die darin enthaltenen Informationen sollten nicht als Anlageempfehlung oder als Ergebnis realer Markterfahrungen verstanden werden.

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